Ruhelänge und dilatierte Zeit in der fünfdimensionalen Raumzeit
Dipl.-Phys. Roland Sprenger 4.10.2025Inhalt
Es wird gezeigt, wie ausgehend von der speziellen Relativitätstheorie im R5 durch geometrische Konstruktion ohne affines Koordinatensystem und Maßstabsänderung Ruhelängen und dilatierte Zeiten bestimmt werden könne. Das Ruhsystem des relativistisch bewegten Körpers ist das um die Zeitachse gedrehte Beobachtersystem. Dort können auch Überlichtgeschwindigkeiten auftreten.
Abschnitte:
1. Einleitung
2. Bestimmung der dilatierten Zeit und der Ruhelänge
3. Begründung der Konstruktionsverfahren
4. Bereinigung durch die fünfte Dimension
5. Bewegung im R5
6. Beobachter im Bezugssystem S´
7. Überlichtgeschwindigkeit bei t´< l
8. Zusammenfassung und Ausblick
1. Einleitung
In dem Skript „Relativistische Addition von Geschwindigkeiten im R5“ [1] wird die Idee von Theodor Kaluza einer fünften Dimension von 1921 [2] aufgegriffen. In [1] werden die Geschwindigkeiten im Unterschied zu Minkowski-Diagrammen ohne die Bestimmung der veränderten Längen und Zeiten in der fünfdimensionalen Raumzeit bestimmt. In diesem Skript werden dafür Konstruktionsverfahren gezeigt und die Bewegung eines Körpers im R5 beschrieben.
In dem Skript „Relativistische Addition von Geschwindigkeiten im R5“ [1] wird die Idee von Theodor Kaluza einer fünften Dimension von 1921 [2] aufgegriffen. In [1] werden die Geschwindigkeiten im Unterschied zu Minkowski-Diagrammen ohne die Bestimmung der veränderten Längen und Zeiten in der fünfdimensionalen Raumzeit bestimmt. In diesem Skript werden dafür Konstruktionsverfahren gezeigt und die Bewegung eines Körpers im R5 beschrieben.
Beispiel 1: Ein parallel zur x-Achse liegender Stab der Länge l = 3 Ls bewegt sich mit v = 0,6 c in x-Richtung nach rechts und passiert mit seiner Spitze zur Zeit t = t´ = 0 s den Ursprung. Welche Länge hat er in seinem Ruhsystem S´ und wie lange dauert es in S´, bis sein Ende den Ursprung passiert, also der Vorbeiflug?
2. Bestimmung der dilatierten Zeit und der Ruhelänge
Bei der Koinzident der Bezugssysteme S und S´ sendet ein Lichtblitz im Ursprung eine Kugelwelle aus, welche zur Zeit t = 5 s dargestellt ist. Eine Lichtuhr (hellgrün) bewegt sich dabei mit dem Stab von x = 0 nach x = 3. (In einer Lichtuhr wird ein Photon/eine Lichtwelle an den verspiegelten Enden ständig hin und her gespiegelt.) Im Ruhsystem des Stabes ist bei dessen Vorbeiflug für den Beobachter die kleinere Zeit (Zeitdilatation) t´ (blau) vergangen, seine Länge l´ (rot) ist dort größer (Längenkontraktion).

Abb. 1: Konstruktionsverfahren für die dilatierte Zeit t´ (blau) und die Stablänge l´ (rot) im Ruhsystem S´ des Stabes; Stablänge l = 3 Ls im Beobachtersystem S lila, Zeit t = 5 s grün und Lichtuhren hellgrün dargestellt
Die dilatierte (kleinere, gedehnte) Zeit t´ konstruiert man, indem man die Strecke der Zeit t (hier 5 s) in den Zirkel nimmt und damit einen Bogen um den Ursprung O schlägt. Durch den Endpunkt A der Strecke l (hier (3|0) wird eine Parallele zur t-Achse gezeichnet. Sie schneidet den Bogen in Punkt B. Die Länge der Strecke A-B entspricht der gesuchten Zeit t´.
Die (größere) Ruhelänge l´ konstruiert man, indem man die Stablänge l in S (hier 3 Ls) auf der t-Achse abträgt und dann von deren Endpunkt C eine Parallele zur x-Achse zieht, s. Abb. 1. Deren Schnittpunkt mit der Strecke OB ist der Punkt D. Die Strecke AD ist die gesuchte Ruhelänge l´, also die Stablänge in dessen Ruhsystem, die der Beobachter in S kontrahiert misst.
Bei diesem Beispiel ergeben die bekannten Formeln t´ = 4 s und l´ = 3,75 Ls , was man in Abb. 1 nachmessen kann (1 LE = 2 cm).
3. Begründung der Konstruktionsverfahren
Mit γ´ = 1 / γ = √ (1 - v2 / c2 )
gilt für die Zeiten t´ = γ´ ∙ t
und für die Längen l = γ´ ∙ l ´ .
In Beispiel 1 gilt γ´ = 0,8 .
Aus t´ = √(1 - v2 / c2 ) ∙ t , (1)
folgt t´2 = (1 - v2 / c2 ) ∙ t2 = t2 - v2 t2 / c2 = t2 - l 2 / c2
und t´2 + (l / c)2 = t2 . (2)
Entsprechend Gl. 1 gilt für Längen die Gleichung
l = √ (1 - v2 / c2 ) ∙ l´ . (3)
Das ist der Satz des Pythagoras für das rechtwinklige Dreieck in Abb. 1, dessen rechter Winkel bei Punkt A liegt und dessen lange Kathete die gesuchte Zeit t´ ist. Seine kurze Kathete heißt dort zwar nur l (also nicht l/c), aber weil l in Ls aufgetragen wird, sind die Beträge von l und l/c gleich: l = 3 Ls und l/c = 3 Ls / c = 3 ∙ c ∙ 1s / c = 3 s . Da die Maßstäbe auf der x-Achse und der t-Achse gleich sind, sind beide Strecken gleich lang.
Der physikalische Grund für die Existenz dieses rechtwinkeligen Dreiecks und für Gl.1 ist die Konstanz der Vakuumlichtgeschwindigkeit c für alle Inertialsysteme. Denn wenn die Stabspitze beim Passieren des Ursprungs einen Lichtblitz auslöst, so breitet sich im Wellenmodell eine kugelförmige Lichtwelle aus, im Teilchenmodell fliegen Photonen in alle Richtungen, z.B. auch in eine Lichtuhr, die bei x = 0 parallel zur t-Achse steht, s. Abb. 2. Wenn die Lichtuhr sich nun mit der Stabspitze mit derselben Geschwindigkeit v nach rechts bewegt, so legt ein Photon in ihr auf dem betreffenden Radiusstrahl der Kugelwelle wegen der Konstanz der Lichtgeschwindigkeit eine gleichlange Strecke zurück wie ein Photon in einer bei x = 0 stehengebliebenen Lichtuhr in t-Richtung, s. Abb. 1. Der Beobachter in S wertet und misst als Zeit t´ in seinem Bezugssystem S aber nur die zu seiner t-Achse parallele Komponente der Bewegung des Photons in der mit dem Stab mitbewegten Lichtuhr. Dadurch ergibt sich das rechtwinklige Dreieck O-A-B mit der Hypotenuse der Länge t, welches Gl. 2 erfüllt.
Die Kugelsphäre definiert die Gleichzeitigkeit – anders als im Minkowski-Diagramm, wo Parallelen zur x-Achse die Gleichzeitigkeit definieren. Anders als dort bleiben dafür in diesem Modell die Maßstäbe unverändert.
Entsprechend Gl. 1 gilt für Längen die Gleichung
l = √ (1 - v2 / c2 ) ∙ l´ . (3)
Also gilt l 2 = (1 - v2 / c2) ∙ l´2 = l´2 - v2 l´2 / c2 = l´2 - (v l´/ c)2
Aus Gl. 3 folgt l´ = 3 Ls / 0,8 = 3,75 Ls ,
also v l´/ c = 0,6 ∙ 3,75 Ls = 2,25 Ls .
Der Term v l´/ c ist also eine Strecke s, in Abb. 1 ockerfarben dargestellt.
Damit gilt l 2 + s2 = l´2 , (4)
der Satz des Pythagoras für das rechtwinklige Dreieck O-C-D in Abb. 1.
4. Bereinigung durch die fünfte Dimension
Merkwürdig an diesem Dreieck O-C-D ist, dass die Länge l parallel zur Zeitachse liegt und dass auch l´ eine Zeitkomponente hat. Ebenso bedenkenswert ist, dass die Strecke s in der grundlegenden, einfachen Gl. 4 eine besondere physikalische Bedeutung haben muss. In Anbetracht der in [1] dargestellten Möglichkeit, relativistische Geschwindigkeiten in einer fünfdimensionalen Raumzeit zu addieren, wird an dieser Stelle angenommen, dass die Strecke s sich in Richtung der fünften Dimension erstreckt.
Wenn man nun das Dreieck O-C-D an der Winkelhalbierenden zwischen der x- und der t-Achse spiegelt und dann um 90° um die x-Achse dreht (s. Abb. 2), so ist die Zeitkorrelation verschwunden und s verläuft in w-Richtung.

Abb. 2: Dilatierte Zeit t´ und Ruhelänge des Stabes l´ im fünfdimensionalen Raum für Beispiel 1 mit t´ > l ; Zeit t grün dargestellt, Zeit t´ blau, Stablänge l lila, Strecke s ockerfarben, Ruhelänge des Stabes l´ rot
Die Ruhelänge der Stabes l´ liegt nun auf der Strecke O-E in der x-w-Ebene. Der Beobachter in S misst also die x-Komponente von l´ bzw. deren Projektion in w-Richtung auf die x-Achse.
In einem zweiten Beispiel ist im Abschnitt 7 der Fall t´< l dargestellt. Die Strecke s ist dann größer als die Strecke l , wird aber nach derselben Regel konstruiert.
5. Bewegung im R5
Da S´ das Ruhsystem des bewegten Stabes ist, bewegt sich S´ mit dem Stab und somit auch mit der Strecke l´ mit. Dann ist die Verlängerung der Strecke O-E die x´-Achse (s. Abb. 3). Eine Parallele zur t-Achse durch Punkt E der Länge t´ = 4 endet im Punkt F. Unter Einbeziehung der Zeit bewegt sich die Stabspitze auf der Strecke O-F. Die Verlängerung der Strecke O-F ist also die Weltlinie der Stabspitze im R5. Jeder Punkt dieser Weltlinie gibt die zugehörigen beobachteten Koordinaten der Stabspitze an, während diese vorbeifliegt.
Das Bezugssystem S´ ist das um die t-Achse um einen Winkel ψ gedrehte System S, mit
cos ψ = l / l´ = γ´ = √(1 - v2 / c2 ) . (5)
Es entspricht dem schiefwinkligen Koordinatensystem im Minkowski-Diagramm. Im Unterschied zu jenem sind hier die Maßstäbe aber unverändert.
In Beispiel 1 gilt ψ = 36,87° .

Abb. 3: Wie Abb. 2, zusätzlich mit x´- Achse, der t-Achse gleichzeitig als t´-Achse, der Weltlinie der Stabspitze in S´ und dem Drehwinkel ψ
Auf der Strecke O-E, in der fünfdimensionalen Raumzeit, bewegt sich der Stab und damit auch sein Ruhsystem S´ in S mit der Geschwindigkeit v´ = l´ / t = 3,75 Ls / 5 s = 0,75 c . Der Beobachter in S kann aber nur deren x-Komponente vx = v´ ∙ cos ψ messen, weil die fünfte Dimension nicht direkt zugänglich ist.
In w-Richtung bewegt sich der Stab in der Zeit t = 5 s um die Strecke s = 2,25 Ls, also mit der Geschwindigkeit vw = 0,45 c . Es gilt
vw = s / t = (v l´/c) / t = (v γ l /c) / t = (γ / c) ∙ v2 = v2 / (c √(1 - v2 / c2)) = v2 / √ (c2 - v2) (6)
Entsprechend l 2 + s2 = l´2 gilt v2 + vw2 = v´2 . (7)
6. Beobachter im Bezugssystem S´
Wenn Stab und Beobachter die Bezugssysteme tauschen, bewegt sich der Stab für den Beobachter, der sich nun im Bezugssystem S´ befindet, nach links. Nach dem Relativitätsprinzip misst er ebenfalls eine kontrahierte Stablänge l in längerer Zeit t. Die Konstruktion der dilatierten Zeit und der Ruhelänge erfolgt nach denselben Regeln wie zuvor (Abb. 4).

Abb. 4: Nun befindet sich der Beobachter im System S´ und der Stab in S bewegt sich nach links. Die Konstruktion der dilatierten Zeit t (blau) und der Ruhelänge l (rot) folgt denselben Regeln wie in Abb. 2 und 3.
7. Überlichtgeschwindigkeit bei t´< l
Im folgenden zweiten Beispiel gilt t´ < l , was mit dem demselben Konstruktionsverfahren wie bisher in Abb. 5 dargestellt wird. Dabei bewegt sich ein Stab der Länge l = 4,8 Ls mit der Geschwindigkeit v = 0,8 c in x-Richtung. Es dauert also t = 6 s, um den Ursprung zu passieren. Mit γ´=0,6 folgt t´ = 3,6 s , l ´ = 8 Ls und s = 6,4 Ls .

Abb. 5: Beispiel 2 wie Beispiel 1 in Abb. 2, aber mit t´ < l ; Zeit t´ blau dargestellt, Stablänge l lila, Strecke s ockerfarben, Ruhelänge des Stabes l ´ rot
Aus Gl. 6 folgt vw = 1,067 c , also mehr als Lichtgeschwindigkeit.
Aus v´ = l´ / t oder aus Gl. 7 folgt v´ = 1,333 c , ebenfalls Überlichtgeschwindigkeit.
Demnach ist die Vakuumlichtgeschwindigkeit nur im dreidimensionalen Weltraum die absolute Grenze aller Geschwindigkeiten, nicht aber im vierdimensionalen Raum. Die Begrenzung gilt nur für die x-Komponenten der vierdimensionalen Geschwindigkeitsvektoren.
8. Zusammenfassung und Ausblick
Die gezeigten geometrischen Verfahren zur Konstruktion der dilatierten Zeit und der Ruhelänge in einer fünfdimensionalen Raumzeit sind ein weiteres Indiz [1] für die Existenz derselben. Weitere Indizien könnten gefunden werden, z.B. bei der Deutung der Rotverschiebung des Galaxienlichtes [2], der Deutung der atomaren Orbitale als stehende Wellen im R4 und der Erklärung der Verschränkung von Quantenobjekten.
Quellenangaben
[1] www.zenodo.org ; DOI 10.5281/zenodo.10966257
www.roland-sprenger.de: Relativistische Addition von Geschwindigkeiten im R5
[2] www.zenodo.org; DOI 10.5281/zenodo.13336221;
www.roland-sprenger.de: Universum ohne Expansion und Urknall